Erstmals in der Schweiz wird ab September an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur eine Ausbildung für Imame angeboten: «Religiöse Begleitung im interkulturellen Kontext» lautet der Titel des Lehrgangs, der in Kooperation mit dem Dachverband Islamischer Organisationen und mit den Vertretungen der christlichen Kirchen in der Ostschweiz entstand. Durchgeführt wird der Lehrgang vom Zentrum Interkulturelle Kompetenz an der ZHAW.


In der Aargauer Zeitung ist am 9. Mai 2009 ein Interview mitChristiane Hohenstein, der Leiterin des Zentrums Interkulturelle Kompetenz am Institut für Sprache in Beruf und Bildung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, erschienen.

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Die meisten Imame in der Schweiz seien demokratisch eingestellt, sagt ZHAW-Professorin Christiane Hohenstein. Doch an der Kommunikationsfähigkeit hapere es. Das will sie nun ändern.

Gehen Sie oft in Moscheen?

Christiane Hohenstein: Nein. Es geht in dem Zertifikatslehrgang «Religiöse Begleitung im interkulturellen Kontext» ja nicht um Moscheen und deren Kenntnis, sondern um interreligiösen Dialog und die Befähigung zur interkulturellen Verständigung über Glaubensbekenntnisse hinweg.


Aber Sie waren schon in Moscheen?


Hohenstein: Das ist ein paar Jahre her. Es gibt in Hamburg, wo ich bis vor knapp zwei Jahren gelebt und gearbeitet habe, eine sehr schöne Moschee.

Ab Herbst unterrichten Sie Imame, die in die Schweiz kommen, um die Betreuung einer Gemeinde zu übernehmen. Woher nehmen Sie Ihre Kenntnisse über Imame?


Hohenstein: Ich arbeite mit vielen Personen zusammen, die sich damit schon länger beschäftigen. Der jetzige Lehrgang geht auf das langjährige Engagement des Kompetenzzentrums Integration, Gleichstellung und Projekte des Kantons St. Gallen und der Spurgruppe Religiöse Identität zurück, die zahlreiche Anregungen, Ideen und Kontakte beisteuern. Die Dozierenden der einzelnen Module sind natürlich Kenner ihres jeweiligen Fachgebietes. Und ich bin vor allem als Studiengangleiterin dafür zuständig, die richtigen Personen als Dozierende anzustellen. Für mich bedeutet diese Aufgabe zum Teil auch: Neuerschliessung von Wissen. Ich interessiere mich einfach dafür, in der Gesellschaft eintreten zu können für Interkulturalität und Dialog.


Wenn Imame hierzulande öffentlich wahrgenommen werden, dann meist als Hassprediger. Wie weit entspricht dies den Verhältnissen in Schweizer Moscheen?

Hohenstein: Soweit ich das einschätzen kann, ist der überwiegende Teil der Imame grundsätzlich demokratisch eingestellt und nicht fundamentalistisch. Die meisten Muslime und Musliminnen lehnen Hassprediger und Fundamentalisten genauso ab wie wir. Wenn man den Statistiken glaubt, die zum Beispiel in Österreich erstellt worden sind, wonach 20 Prozent der Imame antidemokratisch eingestellt sind, ist das auf der einen Seite eine erschreckende Zahl. Aber man sieht daran auch, dass 80 Prozent doch demokratisch eingestellt sind und mit unserer Gesellschaft konform gehen.

Woran hapert es bei Imamen in der Schweiz?

Hohenstein: An Kommunikationsfähigkeit. Um zum Beispiel herüberzubringen, dass sie grundsätzlich demokratiscch eingestellt sind. Das Kommunizieren mit Institutionen und mit gesellschaftlich und kulturell anders geprägten Menschen fällt, glaube ich, generell Personen mit Migrationshintergrund, die (Schweizer-) Deutsch nicht als Erstsprache haben, nicht leicht. Aber wenn man, wie als Imam, die Funktion hat, auch öffentlich für die Gemeinde aufzutreten, ist es noch viel schwerer › weil man zusätzliche Kompetenzen braucht in der Darstellung nach aussen und im Umgang mit Behörden. Formelle Sprache ist etwas, worüber man Wissen vermitteln und das man auch einüben kann. Dann geht es auch um Formen der Diskussion und Auseinandersetzung, die in stärker islamisch geprägten Gesellschaften nicht eingeübt werden.

Also um Dialogbereitschaft?

Hohenstein: So würde ich es nicht nennen. Aber in der türkischen Gesellschaft, wie auch in arabischen Gesellschaften, sind Diskussionsstrukturen einfach nicht so verankert wie bei uns, dass eine gleichberechtigte Partizipation aller Parteien zum Beispiel grundsätzlich möglich ist. Das muss man erlernen und auch zu akzeptieren lernen, dass das ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft ist.

Geht es auch um die Inhalte, die in den Moscheen gepredigt werden?


Hohenstein: Darum geht es auch. Aber nicht in der Weise, dass wir irgendwelche Empfehlungen abgeben. Wir planen, dass in Mentoring-Modulen von den Teilnehmenden angesprochen wird, welche Aspekte sie wichtig finden in ihrem Glauben und dass sie sich damit auseinandersetzen, welche Unterschiede bestehen. Ich denke, dabei wird sich zeigen, dass auch Angehörige der gleichen Glaubensrichtung durchaus unterschiedliche Prioritäten setzen.

Es ist also eine Art Ausbildung zum Pluralismus?

Hohenstein: Genau.

Kommen Sie überhaupt an Ihr Zielpublikum heran?

Hohenstein: Wir arbeiten sehr eng mit dem Dachverband der islamischen Organisationen der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein zusammen, die wiederum vernetzt sind mit anderen Organisationen. Da ist schon viel Resonanz gekommen. Die Nachfrage, auch von muslimischer Seite, ist jedenfalls da.

Zur Person

Christiane Hohenstein ist Leiterin des Zentrums Interkulturelle Kompetenz am Institut für Sprache in Beruf und Bildung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die 45-Jährige stammt aus Deutschland und ist Spezialistin für vergleichende Sprachwissenschaft.

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