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Umweltschutz in Gottes Namen

 
Kampf der illegalen Fischerei in Tansania mit Hilfe des Korans.


Nichts konnte Sansibars Fischer davon abhalten, mit Dynamit zu fischen. Als ein Experte für Islam und Umwelt den Muslimen die Prinzipien des Korans in Erinnerung rief, dachten die Fischer um.

Jahrelang hatten Naturschutzorganisationen versucht, den Naturreichtum an der Ostküste Afrikas zu retten – vergeblich. Also riefen sie Fazlun Khalid zu Hilfe. Der Experte für Islam und Umwelt klärte die Fischer über ihre religiösen Pflichten auf: Es sei falsch für gute Muslime, Fische mit Bomben und Schleppnetzen zu fangen. Innert 48 Stunden hörte die Dynamitfischerei auf. Fazlun Khalids Modell für islamische Umweltbildung ist das erste dieser Art. «Es ist der praktische Einsatz islamischer Prinzipien», sagt der Gründer der Islamischen Stiftung für Ökologie und Umweltwissenschaften (IFEES) mit Sitz in Grossbritannien. Das Interesse am Pilotprojekt in Tansania war so gross, dass die Stiftung letztes Jahr das weltweit erste Handbuch dazu veröffentlichte, wie die Lehren des Korans zum Schutz von Naturressourcen eingesetzt werden können.

Nützlicher Koran

In zweitägigen Kursen appelliert Khalid an die religiöse Verantwortung der Fischer, Beamten und islamischen Führer auf den Inseln Sansibar und Pemba. Er nutzte die Tatsache, dass der Koran die praktischste aller heiligen Schriften ist. «Der Koran gibt ethische Leitlinien für den Schutz der Schöpfung vor», sagt Khalid. Diese alten Lehren habe man modernisiert. Eine Koran-Sure lautet: «Gott liebt nicht die Verschwender.» Eine andere erklärt den Menschen zum Khalifa, dem Stellvertreter Gottes auf Erden, in dessen Verantwortung es liegt, die Schöpfung zu schützen.

Sogar Naturschutzgebiete sieht die Scharia, das islamische Recht, vor. Das Hima-System erlaubt es, Meeres- oder Waldschutzgebiete einzurichten, in denen die Verschmutzung, das Überfischen oder das Fällen von Bäumen verboten sind. So gab es früher saisonale Himas, die Wiesen für die Bienen zum Pollensammeln reservierten. Das Harim-System hingegen stellt die Uferzonen von Flüssen unter Schutz, um die Wasserqualität zu bewahren.

Vom Fischreichtum Misalis, eines unbewohnten Atolls vor der Insel Sansibar, hängen 12 000 lokale Fischer ab. Doch das üppige Ökosystem, das seit dem Jahr 1998 unter Schutz steht, war durch destruktive Fischereimethoden, den Fang gefährdeter Arten und Überfischung – vorwiegend durch auswärtige Fabrikschiffe – bedroht. Im Jahr 2000 startete die amerikanische Entwicklungsorganisation Care den Versuch, die in der islamischen Tradition fest verwurzelten Einheimischen an ihre religiösen Pflichten zu erinnern.

«Grüner Islam» im Vormarsch

Khalids Workshops fielen auf fruchtbaren Boden: Die Fischer schworen dem Dynamit ab, verzichteten auf Zyanid, die kleinmaschigen, tödlich effizienten Netze sowie Stöcke, mit denen Korallen aufgebrochen werden. «Die Regierung kann man ignorieren, nicht aber Gottes Gesetz», sagte ein bekehrter Bomben-Fischer. Stattdessen nutzen sie heute die nachhaltigeren Ringnetze und gründeten eine Fischervereinigung zum Schutz ihrer Lebensgrundlagen. Das Misali-Meeresschutzgebiet wurde zur Hima erklärt. Laut der Hilfsorganisation Frontier Tanzania haben sich heute die zerstörten Riffe erholt, und die Fischer fangen wieder mehr Fisch.


Religiöse Lehren allein führten jedoch nicht zum Ziel, sagt Robert Wild, ehemaliger Tansania-Projektleiter von Care. Zur gleichen Zeit habe die Wasserpolizei ihre Patrouillen intensiviert, um illegale Fischer von ausserhalb von Misali fernzuhalten, die den Einheimischen den Fisch wegschnappten. Dies motivierte die Fischer zusätzlich, auf sanfte Fangmethoden umzuschwenken. «Das Ethik-Programm half, den Umweltschutz in der lokalen Kultur und Religion zu verankern», sagt Wild.

Der «grüne Islam» ist weltweit im Vormarsch. In Indonesien erliessen religiöse Führer Umwelt-Fatwas (religiöse Erlasse), die das Abholzen von Regenwäldern und die Atomkraft für Haram, also für Muslime, verboten erklären. Mit 20 Prozent der Weltbevölkerung fällt die muslimische Gemeinschaft als Umweltsünder ins Gewicht. «Der Islam birgt Antworten auf Umweltprobleme», sagt Khalid. «Jetzt müssen die Muslime aufwachen und sie anwenden.»

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