AIRAK-Medienmitteilung vom Freitag, 10. Februar 2006
Bekanntlich ist es im Islam verboten, Gott und den Propheten im Bild darzustellen. Die Tatsache, dass der Prophet Muhammad sogar karikaturistisch abgebildet wurde, ist für Muslime verletzend und erniedrigend.
Der AIRAK, in dem verschiedene christliche, islamische und weitere religiöse Gemeinschaften im Aargau regelmässige Begegnungen und einen offenen Dialog pflegen, ist dankbar für die vielen besonnenen Reaktionen in der Schweiz zum sogenannten «Karikaturenstreit», in dem es unserer Meinung nach nur vordergründig um die Presse- und Meinungsfreiheit geht.
Die Karikaturen, die «Jyllands-Posten» am 30. September 2005 gezielt publizierte, sollten offensichtlich bei Moslems religiöse Gefühle verletzten. Da ein Aufschrei nach der ersten Publikation ausblieb, schickte die Zeitung die Karikaturen im Nachhinein an muslimische Organisationen mit der Bitte um eine Stellungnahme und provozierte so das gewünschte Echo.
Auch wenn es hier nicht in erster Linie um Pressefreiheit ging, möchte der AIRAK betonen, dass die Meinungs- und Pressefreiheit eine Errungenschaft ist, die es zu verteidigen gilt und die allen, auch den hier lebenden Muslimen zugute kommt. Aber diese Freiheit kann auch zu provokativen Zwecken missbraucht und damit mutwillig aufs Spiel gesetzt werden. Sie wäre zum Beispiel entschiedener einzufordern gewesen, als etwa die Rede des seinerzeitigen Bundespräsidenten Samuel Schmid in Tunis ausgerechnet zur Medienfreiheit vom staatlichen tunesischen Fernsehen zensuriert wurde.
Die Pressefreiheit wird durch viele andere Rechte zum Beispiel zum Schutz von Kindern und Privatpersonen oder zum Schutz des religiösen Empfindens eingeschränkt. Das kommt auch in den sieben «noachidischen Geboten» zum Ausdruck, ethische Standards der jüdischen Theologie, die anders als die 10 Gebote für alle Menschen und Kulturen, unabhängig vom jeweiligen Glauben, gedacht sind. Sie verbieten unter anderem Raub, Mord oder Tierquälerei. Ein Gebot verbietet ausdrücklich die Gotteslästerung. In unserer multi-religiösen und multikulturellen Gesellschaft bedeutet das, nicht mutwillig die religiösen Gefühle anderer zu verletzen. Genau dies ist jedoch durch die gezielte Veröffentlichung entwürdigender Karikaturen des Propheten Muhammad geschehen.
Der AIRAK hat Verständnis für die öffentlichen Proteste muslimischer Gruppen, die Teil der freien Meinungsäusserung sind, lehnt aber jede Form von Gewalt als Ausdruck des Protestes entschieden ab. Die Heftigkeit der inakzeptablen Gewaltausbrüche ist wohl Ausdruck der seit Jahren angestauten Wut auf den Westen, befeuert durch den Irak-Krieg und den Nahost-Konflikt. Da gibt es viel Unrecht, das islamischen Völkern widerfahren ist sowie grosse Verzweiflung und einen offensichtlichen Identitätsverlust – das Gefühl abgewertet und gedemütigt zu werden durch eine Kulturüberlagerung und damit Fremdbestimmung durch die Dominanz der westlichen Kultur. Die Globalisierung der Wirtschaft verschärft die Situation.
Dabei stehen offensichtlich Religionen und Glauben nicht im Zentrum der Problematik, werden aber immer wieder instrumentalisiert, missbraucht zu politischer Mobilisierung und Ideologisierung und zur Rechtfertigung von Gewalt.
Die Mitglieder des AIRAK führen deshalb seit Jahren einen erfolgreichen Dialog zwischen verschiedenen Religionen und fördern mit Begegnungen wie am alljährlichen Gebet der Religionen am Bettag das Verständnis füreinander. Wir sind davon überzeugt, dass es nur durch Respekt und Achtung gegenüber anderen zu einem friedlichen Zusammenleben kommen kann.
Unterzeichnet:
- Die Mitglieder des AIRAK-Vorstands:
- Karima El-Guindehi (Muslima)
- Max Heimgartner (Präsident, Reformierte Landeskirche)
- Thomas Markus Meier (Erwachsenenbildung, Römisch-katholische Kirche im Aargau, Co-Präsident der Gemeinschaft Christen und Muslime in der Schweiz)
- Béatrice Menzi Hussain (Baha’i Aarau)
- Nusreta Puric (Islamisch Bosnische Gemeinschaft des Kantons Aargau)
- Ursula Walti (Fachstelle Oekumene Mission Entwicklung, Reformierte Landeskirche)
Quelle: www.ref-ag.ch