Wie befürchtet kommt die Verbotswelle gegen Muslime nun richtig ins Rollen. Nicht die Wermummung allgemein soll verboten werden, sondern die Burka. Genau so, wie nicht religiöse Bauten allgemeim, sondern nur Minarette verboten wurden. Die Diskriminierung der Muslime durch Sonderverbote geht also munter weiter, denn der Damm ist ja seit dem 29. November 2009 endgültig gebrochen.
Lesen Sie hierzu folgende Artikel vom 4. Mai 2010:
– Tages-Anzeiger online
– NZZ online
– 20min.ch
Auf der anderen Seite spielte der sogenannte islamistische Terrorismus 2009 gemäss einem am 28. April 2010 veröffentlichten Europol-Bericht kaum mehr eine Rolle, fast alle Terroranschläge gingen von separatistischen Bewegungen aus.
Die meisten Terroranschläge fanden in Spanien und in Frankreich statt und haben mit separatistischen oder «ethnonationalistischen» Bewegungen im Baskenland (148) und in Korsika (89) zu tun. Zwar ist auch hier die Zahl der Anschläge um 40 Prozent zurück gegangen, aber es wurden insgesamt 6 Menschen getötet, 3 Polizisten durch Anschläge der ETA sowie 2 Polizisten und 1 Soldat durch irische Gruppen (RIRA und CIRA). 90 Prozent der Anschläge, die diesen separatistischen Gruppen zugeschrieben werden, waren erfolgreich.
Der Bericht kann hier eingesehen werden.
Zum Glück gitb es auch in der Schweiz noch besonnene Stimme, wie zum Beisplel der Kommentar von Christoph Wehrli, der in der NZZ vom 4. Mai 2010 unter dem Titel «Liberal gegen Unliberale – im Bann radikaler Muslime» erschienen ist:
*** Zitatbeginn ***
Etwa ein halbes Jahr nach seiner Gründung ist der Islamische Zentralrat Schweiz zu einem zentralen Medienthema und nun auch zum Politikum geworden. Der Direktor des (nicht zuständigen) Migrationsamts spricht – hypothetisch – von einem Sicherheitsrisiko, eine «fortschrittliche» Muslimin tritt für ein Verbot ein, und die FDP-Liberalen veranstalten hastig eine Pressekonferenz für ihre eigenen Rezepte. Gewinner der Redespirale sind vorderhand wohl zwei Kräfte: die kritisierten radikalen Muslime, die aus dem Nichts zu einem anscheinend bedeutenden Faktor geworden sind, und jener Teil der politischen Rechten, der in aktiver Intoleranz seine Mission oder sein Potenzial sieht.
Auch abwegige Gedanken sind frei
Kein Zweifel: Der Zentralrat, wie sich der keineswegs repräsentative Verein anmassend nennt, pflegt einen ausgeprägten Dogmatismus und grenzt sich mit seiner Art der Identitätsbildung von der offenen Gesellschaft ab. Die Exponenten, darunter Studierende, die zum Islam übergetreten sind, sind aber klug genug, eine Kampfansage an die herrschende Ordnung zu vermeiden und den Rahmen des Rechts ausdrücklich anzuerkennen. Gewiss gibt es letztlich Widersprüche zwischen dem säkularen Staat und strikt ausgelegten Regeln von Koran und Tradition. Aber die Meinungsäusserungs- und erst recht die Gedankenfreiheit würden zu eng verstanden, ja ihres Sinns entleert, gälten sie nur für «verfassungskonforme» Ideen. Auch aus dem christlichen Glauben oder anderen Religionen können sich übrigens Spannungen mit dem staatlichen Recht ergeben, ohne dass man ein absolutes Entweder-oder konstruierte.
Für den Umgang mit dem Verein radikaler Muslime muss entscheidend sein, ob konkrete Delikte begangen oder geplant werden, und in dieser Hinsicht fehlen vorderhand Fakten. Die FDP räumt denn auch ein, die «Verbotsfrage» nicht beantworten zu können. Sie folgert daraus, der Staatsschutz müsse eben griffige Mittel zur Überwachung religiöser Stätten und privater Räume erhalten, damit sich die Gefahr beurteilen lasse. Über die Abwägung von öffentlicher Sicherheit und Schutz der Privatsphäre mag man diskutieren. Wegen einer einzigen, bisher unbescholtenen Gruppierung aber eine Gesetzgebung im Schnellverfahren zu fordern, zeugt nicht von Sinn für Proportionen. Das gilt auch für die «liberalen» Forderungen, Predigten (aller Religionen) seien in einer Landessprache zu halten oder simultan zu übersetzen und alle in Umlauf gebrachten Glaubensschriften seien in einer Landessprache der Überwachung zugänglich zu machen.
Gefahr sektiererischer Vereinnahmung
Worauf hätte die über das selbstverständliche Beobachten hinausgehende Überwachung denn zu achten? Terrorakte werden kaum in Vereinsstrukturen vorbereitet. «Hasspredigten», die einen Boden dazu legen könnten, sind wohl zu allgemein, um als Aufrufe zu Gewalt geahndet zu werden, und um öffentliche Diskriminierung nach der Rassismus-Strafnorm zu verfolgen, muss man kaum in private Räume eindringen. Die religiöse Ehe, die ausgerechnet der Sekretär des Islamischen Zentralrats mit einer Minderjährigen geschlossen hat und die das Bekenntnis zum Recht (es verlangt zuerst eine Zivilehe) etwas hohl macht, ist kein Sicherheitsproblem. Im Vordergrund steht eher die Gefahr, dass die straff hierarchische Organisation mit ihren festen Wahrheiten – insofern mit Sekten vergleichbar – unsichere Menschen anzieht und abhängig macht. Das wäre allerdings kein spezifisches, für Gesellschaft und Behörden neues Problem.
Was nötig bleibt, ist bekannt. Unter anderem sind für ausländische Imame Bedingungen zu stellen; anzustreben, aber nicht sofort realisierbar ist eine Ausbildung in der Schweiz. Die in der Regel integrationswillige Mehrheit der Muslime sollte – allenfalls mit öffentlicher Unterstützung – ihre komplizierten und schwerfälligen, lokal und ethnisch abgestützten Verbände so reformieren, dass ein starker Gesprächspartner entsteht. Politische und gesellschaftliche Organisationen schliesslich müssen sich nicht beirren lassen durch jene, denen der Islam insgesamt als Feindbild dient und das Minarettverbot noch nicht genügt.
Apropos Feindbild ein – natürlich nur teilweise zulässiger – Vergleich: Im Kalten Krieg, als Kommunismus und freiheitliche Welt sich auch geistig- politisch entgegenstanden, tat man gut daran, nicht alles Sozialistische in einen Topf zu werfen und selbst Gruppierungen, die Demokratie-inkompatible Gedanken hegten, nicht mit Verboten bekämpfen zu wollen. Manche, die damals mit liberalen Grundsätzen nichts anfangen konnten, sind später auf den Geschmack gekommen.
*** Zitatende ***
Ach ja, nach so vielen Verboten nun zum Schluss noch etwas, das erlaubt ist. Wie u.a. «20 minuten» am 20. April 2010 berichtete, ist im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten die Prostitution in der Schweiz bereits ab 16 und nicht erst ab 18 Jahren legal. Zudem dürfen Minderjährige auch in Pornos mitspielen.
Sollte da nicht ein Aufschrei durch die Bevölkerung gehen? Ja? Nein? Lesen Sie doch mal die Online-Kommentare zum «20 minuten»-Artikel. Da schreibt z.B. ein «Sandro»: «Das Alter sollte nicht erhöt, sondern eher reduziert werden. Ab 14j. sind Girls genug reif für sex, und ob sie dafür geld annehmen sollten sie selber entscheiden können. Ab 18j ist jenseits der Realität!»
Und er ist nicht allein mit seiner Meinung. Sollte man da nicht auch eine entsprechende Standesinitiative lancieren?