Die Albaner sind eine starke muslimische Minderheit in der Schweiz. Die IZ sprach mit Bekim Alimi, 29 Jahre alt und gebürtig im mazedonischen Tetovo, dem Imam der albanischen Moschee im Schweizer Wil über seine Moschee und die Aussichten junger Muslime in der Schweiz. Die Moschee ist eine typische Hinterhofmoschee , allerdings denkt man nun über einen Neubau nach. Die Stadt Wil in der Nähe von St. Gallen ist für solche Pläne offen und gesprächsbereit. Alimi gehört zu einer Generation junger Imame die die ganze Spannbreite der Moscheen zu bündeln versuchen und gleichzeitig die Isolation der Moscheen beenden wollen.

Islamische Zeitung: Herr Alimi, wie kommt ein junger, mazedonischer Albaner nach Wil in die Mitte der Schweiz?

Bekim Alimi: Nachdem ich in Tetovo in Mazedonien mein Studium zu Ende brachte, habe ich dort geheiratet. Meine Frau ist hier in der Schweiz aufgewachsen und dadurch kam ich in die Schweiz. Das war nicht der einzig Grund für meinen Umzug, auch meine Eltern leben seit 1974 hier. Da bereits ein Teil meiner Familie hier lebte, fiel mir die Entscheidung dafür natürlich leichter.

Islamische Zeitung: Wie viele Albaner muslimischen Glaubens leben in der Schweiz?

Bekim Alimi: Obwohl es keine wirklich bestätigten Statistiken gibt, habe ich gehört, was auch von anderen albanischen Imamen bestätigt wurde, dass es ca. 200.000 Muslime sein sollen.

Islamische Zeitung: Fühlen sich diese Muslime als Albaner oder als Schweizer. Wie ist das Lebensgefühl der Menschen?

Bekim Alimi: Ich glaube, sie fühlen sich immer noch stärker als Albaner, da die Einbürgerung immer noch sehr schwierig ist. Mehr als 90 Prozent der Betroffenen besitzen immer noch nicht die schweizer Staatsbürgerschaft und für viele gestaltet sich dies nicht einfach. Vielleicht ist dies ein starker Grund, warum sich die Mehrheit weiterhin als Albaner versteht.

Islamische Zeitung: Nun sind Sie ja selber relativ jung. Sehen sich die jungen Albaner in der Schweiz in Pristhina, Tirana und Skopje zu Hause oder zukünftig doch eher in Zürich, Whyl oder Appenzell?

Bekim Alimi: Ich bin ja selber erst 29 Jahre alt und glaube, dass die unberuhigte Situation auf dem Balkan, in Anbetracht möglicher Kriege und der schlechten wirtschaftlichen Lage, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht glauben lässt, dass sie dort eine Zukunft für sich aufbauen könnten. Die Jugendlichen sagen sich, dass sie erstmal ihren Lebensmittelpunkt – Häuser und Geschäfte – hier sehen. Eher wollen Sie eine Zukunft hier aufbauen.

Islamische Zeitung: Fühlen Sie sich von der Schweizer Regierung und der Gesellschaft aufgenommen oder glauben Sie, dass Sie noch als Fremdkörper angesehen werden?

Bekim Alimi: In letzter Zeit, seit mindestens drei Jahren, kann man schon sagen, dass die Regierung eine positive Haltung zur Integration hat. Ich glaube, dass die Schweizer sich langsam für Ausländer und Migranten, die ja mehrheitlich Muslime sind, öffnen.

Islamische Zeitung: Was finden Sie, ist das Positivste an der Schweiz?

Bekim Alimi: Das ist eine schwierige Frage – ich glaube, die Mehrheit der Muslime, insbesondere derjenigen, die aus dem Balkan stammen, empfindet die innere Stabilität der Schweiz als einen sehr wichtigen Faktor. Hier gibt, im Gegensatz zum Land ihrer Herkunft nicht die Gefahr eines möglichen Krieges und auch die Chancen, sich wirtschaftlich etwas aufzubauen, sind hier wesentlich größer und gesicherter.

Islamische Zeitung: Was vermissen Sie hier, im Vergleich zu Mazedonien, am meisten?

Bekim Alimi: Wir vermissen unsere Traditionen, wir vermissen unsere Großeltern, die Familien, die noch dort leben. Wir versuchen, dies in unseren Moscheen einigermaßen zu bewahren, damit die Muslime auch hier noch ein Stück heimatliches Gefühl finden können. Der langsame Verlust der Traditionen und die Assimilation tut uns schon ein bischen weh.

Islamische Zeitung: Herr Alimi, haben die junge Leute hier in der Moschee auch Schweizer Freunde?

Bekim Alimi: Ich glaube, viele haben gute Freundschaften mit ihren schweizer Altersgenossen, insbesondere diejenigen, die hier zur Schule gegangen sind. Ich persönlich finde das gut. Andere, die älter hier her gekommen sind, haben außer auf der Arbeit wahrscheinlich keine großen Kontakte mit den anderen Schweizern.

Islamische Zeitung: Ist der Islam ein Thema, welches junge Schweizer interessiert?

Bekim Alimi: Nach meiner Erfahrung in der Moschee und in Schulen, sehe ich, dass z.B. bei Schulklassen, die die Moschee hier besuchen, ein sehr großes Interesse besteht. Die Schüler stellen viele Fragen. Ich finde, dass das Interesse größer ist als noch vor fünf Jahren.

Islamische Zeitung: Glauben Sie, dass nach dem 11. September ein größeres Interesse Ihrer Leute an der Moschee besteht?

Bekim Alimi: Ich denke schon, denn in den letzten zwei Jahren haben wir hier im Moscheeverein hundert neue Mitglieder hinzu gewinnen können. Heutzutage, wenn alle Leute wegen der allgemeinen schweizer Feiertage in die Moschee kommen können, kann es schon mal passieren, dass hundert Leute vor der Tür beten müssen. Vor fünf Jahren war das nicht unbedingt üblich.

Islamische Zeitung: Werden Ihrer Meinung die jungen Albaner, die sowohl ihren Islam praktizieren als auch gut Deutsch sprechen, die Moschee in den nächsten Jahren verändern?

Bekim Alimi: Ich glaube schon, dass in paar Jahren ein Imam seine Ansprachen auf Deutsch halten sollte. Sicherlich werden, wie schon gesagt, vor allen Dingen die jungen Muslime ihren Lebensmittelpunkt immer mehr in der Schweiz sehen. Von daher ist es nur natürlich, dass sie mehr Einfluss auf das Leben der Moschee nehmen werden.

Islamische Zeitung: Werden die älteren Leute mit Erreichen ihres Pensionsalters die Schweiz verlassen?

Bekim Alimi: Meiner Vermutung nach eher nicht, denn die ältere Generation der albanischen Muslime hat hier die nächsten Familienangehörigen. Ein muslimischer Großvater kann in unserer Tradition nur dann wirklich einer sein, wenn er mit sein Enkeln zusammen sein kann. Ist er im Ausland, dann fühlt er sich nicht als Großvater. Mein Eltern sind pensioniert, aber sie gehen nicht zurück, da ihre Kinder und Enkel alle hier leben.

Islamische Zeitung:
Hat Ihre Moschee ein politisches Interesse in Albanien bzw. Mazedonien oder nur in der Schweiz?

Bekim Alimi: Nein, wir interessieren uns nur für die politische Situation in der Schweiz, da wir hier unseren Lebensmittelpunkt haben.

Islamische Zeitung: Was sind die Dienstleistungen Ihrer Moschee?

Bekim Alimi: Wir versuchen hier eine traditionelle Moschee nach dem Vorbild des Propheten zu unterhalten, d.h. mit allen Bereichen für die Menschen. Wir versuche, wenigstens ein kleines Beispiel von dem zu leben, wie es zu Zeiten von Muhammad war. Unsere Moschee bietet folgende Angebote an: Religionsunterricht, Qur’anschule, Moscheereisen, Sport für die Jugendlichen, Unterricht für Erwachsene und ein Frauenforum. In unserer Moschee gibt es die größte Bibliothek der albanischen Moscheen in der Schweiz, deshalb kommen auch viele nichtalbanische Muslime hier her, um Literatur zu leihen bzw. zu kaufen. Wir bieten unsere Räumlichkeiten auch für auswärtige Veranstaltungen, wie z.B. Familienfeierlichkeiten, an.

Islamische Zeitung: Was möchten Sie im Augenblick insbesondere den jungen Leuten im Religionsunterricht vermitteln?

Bekim Alimi:
Wenn man sich selber kennt, dann hat man keine Angst vor anderen. Wenn man nicht weiß, was es dort gibt, dann entsteht Furcht. Wenn man die eigene Religion gut kennt, dann hat man keine Angst vor anderen, da man selber auf festem Grund steht.


Islamische Zeitung:
Haben Sie das Gefühl, dass die Behörden die Qur’anschule anerkennen?

Bekim Alimi: Natürlich gibt es bestimmte Ängste unter bestimmten Gruppen. Z.B. stand einmal in einer Zeitung eine Artikel mit dem Titel “Qur’an in unserem Klassenzimmer”, der uns schon getroffen hat, aber Gott sei Dank hat die Mehrheit der Schweizer volles Verständnis. Natürlich haben wir eine Erlaubnis der Behörden für den Betrieb unserer Schule, sonst könnten wir dies gar nicht tun.

Islamische Zeitung: Welche Rollen spielen die Frauen in Ihrer Moschee?

Bekim Alimi: Seit fast einem Jahr haben wir ein Frauenforum, wo die Frauen aktiv sein können. Langsam bemühen wir uns, dass es mindestens einmal im Monat Aktivitäten für Frauen in der Moschee gibt. Außerdem bieten verschiedene Organisationen für Frauen “Maulid” oder “Treff”, wo auch viele konvertierte Muslimas teilnehmen, Aktivitäten an, insbesondere im Ramadan, wo die Frauen Familien zu Hause besuchen. Langsam entwickelt sich hier ein lebendiger Islam, der natürlich auch die muslimischen Frauen mit einbezieht.

Islamische Zeitung: Wie finanziert sich Ihre Moschee?

Bekim Alimi:
Die Moschee unterhält sich durch monatliche Mitgliedsbeiträge. Wir haben zur Zeit ungefähr fünfhundert Mitglieder, die für die Moschee sorgen. Es gibt noch z.B. ein Café, wo die Leute durch den Verzehr von Getränken die Moschee mit unterstützen. Es gibt Gott sei Dank viele Muslime in dieser Umgebung. Von staatlicher Seite erhalten wir keinerlei finanzielle Hilfe.

Islamische Zeitung: Was sind die Pläne der Gemeinde. Wollen Sie sich architektonisch verändern?

 

 

Bekim Alimi: Wir sehen, dass die Moschee vom räumlichen Standpunkt für die Gemeinde langsam knapp wird und einige von uns meinen, wir sollten uns ein Fabrikgebäude – wie es in der Schweiz üblich ist – kaufen. Ein anderer Teil sagt, wir sollten eher versuchen, eine richtige Moschee mit einem Minarett zu bauen, wo allerdings die Frage ist, wie leicht oder schwer eine derartige Baugenehmigung zu erlangen ist. Finanziell können wir sicherlich bereits heute einen Teil finanzieren.

Islamische Zeitung: Sehr geehrter Herr Alimi, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Quelle: Islamische Zeitung