von Hamit Duran, Turgi —

Es handelt sich um eine Sammlung von Beiträgen, die anlässlich einer Ringvorlesung mit dem Titel «Islam in Europa – Begegnungen, Konflikte und Lösungen» zwischen 2014 und 2017 am Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik der Universität Innsbruck entstanden sind. In den Beiträgen werden sowohl das islamische Traditions­verständnis als auch die eurozentrische Perspektive hinterfragt, wobei aktuell stark diskutierte Themen wie etwa Frauenrollen oder die Beziehung des Islam zur Gewalt, sowie der Umgang mit religiösen Minderheiten in der islamischen Welt ebenso behandelt werden wie die islamische Mystik, die in der gesellschaftlichen Diskussion heutzutage praktisch gar kein Thema ist. Dadurch möchte dieser Band nach Aussage des Herausgebers dazu beitragen, dem Fremden und Anderen nicht mit Angst, sondern mit Offenheit und Neugierde zu begegnen und Veränderungen im eigenen und tradierten Denken zuzulassen.

Im ersten Beitrag behandelt der Herausgeber, Zekirija Sejdini, das Thema «Islamische Religionspädagogik im europäischen Kontext». Er untersucht dabei die Situation der islamischen Religionspädagogik im Spannungsfeld zwischen dem akademischen Diskurs der in Europa seit der Aufklärung im säkularen Kontext stattfindet, und dem Anspruch der eigenen Traditionen. So stellt er fest, dass die Forschung in diesem Bereich von zwei gegensätzlichen Ansätzen dominiert wird: einerseits von einem religionswissen­schaftlichen und andererseits von einem konfessionellen Zugang. Wie nicht anders zu erwarten, kritisiert er, dass letzterer Zugang in der islamischen Theologie und Religionspädagogik kaum bis gar nicht vorhanden ist. In diesem Zusammenhang fordert Zekerija, dass die islamische Theologie und Religionspädagogik einer Revision unterworfen wird, und dass theologische Aussagen, denselben wissenschaftlichen Grundsätzen, wie alle anderen Wissenschaften folgen müssen, denn dies sei eine Grundvoraussetzung für deren Weiterentwicklung und Eingliederung in den hiesigen akademischen Diskurs im säkularen Kontext. Erst so könnten religiöse Innovationen auf den Weg gebracht werden. Woraus diese bestehen sollen bleibt aber eher unklar.

Einiges schwieriger zu lesen ist der Aufsatz von Bacem Dziri zum Thema «Was ist der Islam – und wenn ja, wie viele?» Bereits der scheinbar widersprüchliche Titel deutet an, dass sich der Autor auf ein sehr heikles, aber nichtsdestotrotz wichtiges Thema einlässt. Er erwähnt viele Beispiele von Publikationen, Artikeln, Medienbeiträgen etc., die oft einen Titel wie «Der Islam ist X, der Islam braucht Y» o.ä. tragen, wobei «X» für gewalttätig, frauenfeindlich etc., und «Y» für Aufklärung, mehr Weiblichkeit etc. stehen kann. Es wird selbst in akademischen Kreisen angenommen, dass es «den Islam» schlechthin gibt, und dass dieser Islam grundsätzlich schlecht, falsch, gewalttätig, herrschsüchtig etc. ist. Dies zeigt sich selbst in der deutschen Sprache, in der zwar von Judentum und Christentum, nicht aber von Muslimentum die Rede ist. Es wird also, im Gegensatz zu den ersten beiden Religionen, kein Unterschied zwischen dem Islam und der Gemeinschaft der Muslime gemacht. Der Autor sieht neben dem Problem, dass es weder den «Herrn Islam» noch die «Frau Islam» gibt, dass Im Diskurs eine Atmosphäre herrscht, in der jeder entweder für oder gegen den Islam spricht, und damit werden Lösungen oft verhindert.

Auch im Beitrag von Erol Yildiz unter dem Titel «Vom methodologischen Orientalismus zur muslimischen Alltagspraxis» geht es um die Analyse der Art und Weise, wie Muslime in Europa wahrgenommen und behandelt werden. Er verweist dabei auf das eurozentrische Weltbild, das dazu führt, das Eigene zur Maxime und einzig Richtige zu erheben. Dadurch werden praktisch alle Abweichungen davon abgewertet.

Yildiz richtet seinen Fokus auf polarisierende Deutungen nach dem Muster Wir (Christen) und Die (Muslime). Er verwendet dabei den Begriff des binären Denkkonzeptes, demzufolge nur westliche Gesellschaften als modern, hochentwickelt du fortschrittlich gelten.

Der Autor lenkt danach zuerst den Blick von «oben nach unten» und beschreibt das Verhältnis der Medien zur Wissenschaft. Dabei stellt er fest, dass insbesondere die Massenmedien einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das öffentliche Bild des Islam und die Muslime ausüben. Anhand konkreter Beispiele zeigt er auf, dass die mediale Berichterstattung schon längst die Form einer Kampagne angenommen hat, in der vor allem muslimische Jugendliche in negativen Zusammenhängen mit Gewalt, Kriminalität etc. auftauchen. Interessant ist auch, dass der in den Medien viel benutzte Begriff «Parallelgesellschaft» eigentlich eine wissenschaftliche Erfindung ist, der erstmals in einer Studie im Jahre 1997, also vor mehr als 20 Jahren, benutzt worden ist.

Im Folgenden lenkt der Autor dann den Blick von «unten nach oben», indem er aufzeigt, dass religiöse Orientierungen unter den Muslimen vielfältiger geworden sind. Er benutzt dabei den Begriff der Transtopie, einem «dritten Raum», den vermehret Jugendliche der zweiten und dritten Generation suchen, da sie sich in keinem der beiden Pole, einheimisch und fremd, wohlfühlen. Dieser Raum erlaubt es, alte und neue Erfahrungen, unterschiedliche kulturelle Elemente etc. zusammenzufügen und zu synthetisieren. Den Begriff des «Euroislam» lehnt er aber klar ab, da dies nur wieder eine neue Differenzlinie zwischen besseren «Euromuslimen» und eher problematischen «Nicht-Euromuslimen» führen würde. Ein wirklich interessanter Gedankengang.

Ein vergleichsweise kurzer, aber nichtsdestotrotz interessanter Beitrag von Halima Krausen, widmet sich dem Thema «Islam und Geschlechtergerechtigkeit» (man achte auf den Titel…). Sie stellt fest, dass dank der heute verfügbaren Menge an Informationen viel über die theoretischen Möglichkeiten, die muslimischen Frauen in der islamischen Welt offenstehen, diskutiert wird, kaum aber über die praktischen Hürden, die sich Musliminnen im Alltag in den Weg stellen, wenn sie ihre Tätigkeit in die Öffentlichkeit führt. Vor allem das «allgegenwärtig herumspukende Konzept der Geschlechtertrennung bei öffentlichen Zusammenkünften» scheint ihr ein Dorn im Auge zu sein.

Dazu schlägt sie vor, dass gewisse Textpassagen im Qur’ân und ihre Zielrichtungen neu entdeckt werden sollten. Dies bedingt aber, dass man sich von gewohnten Denkstrukturen löst und ungewohnte Perspektiven und Interpretationen mit in Betracht zieht. Als Beispiel dafür erwähnt sie z.B. den berühmten «Zwischenfall der grossen Lüge» um Aisha, der Ehefrau des Propheten Muhammad, welche im Qur’an in den Versen 24/12-19 aufgegriffen wird. Die Autorin zieht daraus sehr interessante Schlüsse, die in eine ganz andere Richtung zielen als gemeinhin angenommen wird. Dasselbe macht sie auch mit den Versen 24/1-24, in denen es um Unzucht und Verleumdung und die daraus resultierenden Rechtsfolgen geht.

Krausen regt an, dass im Qur’an und der Sunna verankerte Prinzipien ernst genommen werden und als Kriterien für eine Überarbeitung der islamischen Tradition herangezogen werden sollten. Dadurch könnten neue situationsbezogene Regelungen erarbeitet werden zu Themen wie z.B. Erbschaft oder Polygamie, die leicht ihren Sinn verlieren können, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen werden und als Selbstzweck betrachtet werden, wie das heute leider oft der Fall ist. Schade, dass dieser Beitrag eher kurz ist und keine konkreten Beispiele für die eben beschriebene Überarbeitung bietet.

Ein ganz anderes Thema wird von Jürgen Wasim Frembgen aufgegriffen: «Spiritualität im Islam: Die Sufi-Tradition». Er gibt in seinem kurzen Beitrag eine Übersicht über die islamische Mystik, den Sufismus (arab. Tasawwuf), welcher integraler Bestandteil des Islam ist. Nach einer kurzen Einführung in den Sufismus, den er kurz und prägnant als eine «religiöse Strömung der Hingabe an den Glauben und der Ergriffenheit durch das Göttliche» charakterisiert, behandelt er die Quellen der mystischen Gottesliebe, z.B. die im Qur’an beschriebene «Nacht der Macht» (arab. Lailat-ul-Qadr), die Meditation des Propheten Muhammad in der Höhle Hira ausserhalb Mekkas, wo er die ersten Offenbarungen empfing, der Thronvers (Qur’an 2/255) und andere.

Danach stellt er die wichtigsten Sufiorden kurz vor, z.B. die im 11. Jhd. im Irak gegründete Qadiriyya, die sich im 14. Jhd. von Buchara aus verbreitende Naqshibandiyya oder die im 14. Jhd. in der heutigen Türkei institutionalisierte Mevleviyye. Nach einer kurzen Beschreibung der Sufi-Praxis (inkl. deren verschiedenen Formen), widmet der Autor leider nur einen sehr knappen Abschnitt dem Thema Sufismus in der heutigen Zeit. So erfährt der Leser z.B. nicht, welche der verschiedenen Sufi-Orden heute in Europa verbreitet sind und wie sie in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten und wahrgenommen werden. Das ist etwas schade.

Einem sehr heiklen Thema widmet sich Rüdiger Lohlke mit seinem Beitrag unter dem Titel «Islam und Gewalt, Gewalt und Islam?» Ähnlich wie Erol Yildiz und Bacem Dziri betrachtet er das gewählte Thema aus einem unüblichen Blickwinkel und zeigt auf, dass im Unterschied zur gängigen Diskurspraxis, bei der die eine Seite das Friedens- und die andere Seite das Gewaltpotential des Qur’an hervorhebt, die betreffenden Stellen im Qur’an alternativ angegangen werden können. Er bezieht sich dabei auf einen mittelalterlichen Qur’an-Kommentar, der von an-Nishâbûri (gest. ca. 1330 n. Chr.), der zur Zeit der mongolischen Il-Khane im Iran lebte, verfasst wurde.

In seinem Beitrag greift Lohlke schwierige Textstellen im Qur’an auf, wie z.B. 2/190-194, 2/216, 3/167-169 , 4/74, 9/5 und andere und erläutert, wie diese von an-Nishâbûri interpretiert wurden. Er zeigt dabei das in der nüchternen Betrachtung nicht sofort ersichtliche Spannungsfeld zwischen den Bezügen zu militärischer Auseinandersetzung und individuellem inneren Kampf gegen das eigene Ego (arab. nafs) auf. Auch betrachtet er die Verse in ihrem historischen Kontext, was deren unmittelbare Anwendbarkeit entscheidend einschränkt. Der Autor kommt zum Schluss, dass es unmöglich ist, aus der literalistischen Lektüre des Qur’ans auf die eine islamische Auffassung zu einer Qur’an-Stelle zu schliessen: «Die auf den Koran gerichtete Suchbewegung verweist uns auf Vieldeutigkeiten der Interpretationen, die einem simplen modernen Geist nicht zugänglich sind.»

Wolfram Reiss beleuchtet in seinem Beitrag den «Umgang mit religiösen Minderheiten in der islamischen Welt». Er kommt bei seiner Analyse zum Schluss, dass die Möglichkeiten des friedlichen Zusammenlebens mit monotheistischen Religionen sehr umfassend sind, unter anderem auch aufgrund der Qur’an-Verse 2/256, 2/62 und 5/82. Schwieriger ist aber der Umgang mit Religionen, die nicht dem Monotheismus zugeordnet werden können wie z.B. Hinduismus, Buddhismus und andere. Ihnen wird eine Heilsmöglichkeit nur sehr eingeschränkt zugestanden. Dies geht teilweise sogar so weit, dass ihre Anhänger sogar aktiv bekämpft wurden und werden. Der Umgang des selbsternannten Islamischen Staates (IS) mit den Jesiden ist ein sehr trauriges Beispiel dafür aus der Gegenwart.

Es gibt in jüngerer Zeit aber immer mehr Theologen und Gläubige, die den Weg des unvoreingenommenen Kennenlernens und einer grundsätzlichen Bejahung der Differenzen gehen. Sie berufen sich dabei auf die Verse 49/13 (Allah hat die Menschen zu Völkern und Stämmen werden lassen, damit sie sich kennenlernen) und 2/30 (der Mensch ist Statthalter Gottes auf Erden). Dies ist ein wichtiger Ansatz, der in die richtige Richtung führt.

interreligiöse Kompetenz und ihre Anordnungen sind das Thema von Mirjam Schambeck’s Beitrag: Anhand eines praktischen Fallbeispiels aus dem deutschen Berufsalltag, das sich in der Realität in ähnlicher Form zugetragen haben muss, versucht sie zu erläutern, worauf es dabei ankommt. Die relativ einfache und für den gesunden Menschenverstand naheliegenden Erkenntnisse, die sie daraus zieht, fasst sie aber in einen ziemlich schwierig zu lesenden Text. Mit vielen Worten wird, auch dank einiger unnötiger Wiederholungen, relativ wenig gesagt. Auch die grafischen Abbildungen, die sie in ihren Text einsetzt, helfen nicht wirklich.

Der letzte Beitrag dieses Bandes stammt von Martina Kraml und befasst sich mit dem Thema «Religionspädagogik im Kontext der Rede von transreligiös, transversal und interreligiös». Wie der Titel schon erahnen lässt, ein nicht sehr einfaches Thema, das sie, wie schon im vorangehenden Beitrag, ziemlich kompliziert erklärt. Sie unterscheidet zwischen «multireligiös», das sich auf das Nebeneinander verschiedener Konfessionen und Religionen beschränkt, «interreligiös», das über das Multireligiöse hinausgeht und zusätzlich das Gemeinsame betont, welches aber nur punktuell geschieht und «transreligiös» oder «transversal», in dem darüber hinaus Verbindungen, Brücken und Übergänge gesucht oder geschaffen werden. Erst eine interreligiöse Bildung in diesem Kontext könne einen Beitrag zu einer Vision für Europa beitragen.

Alles in allem eröffnet die vorliegende Publikation durchaus neue Einblicke in viel diskutierte Themen bezüglich Islam und Muslime in Europa. Einiges erscheint mir als neu, anderes empfinde ich als relativ simplen Inhalt in wissenschaftlicher Sprache verpackt, so dass nicht für jedermann oder -frau einfach verständlich ist. Aber das gehört wohl zu Beiträgen mit wissenschaftlichen Anspruch.

 

Bibliografie 

Zekirija Sejdini (Hrsg.), Islam in Europa – Begegnungen, Konflikte und Lösungen, 2018, Studien zur Islamischen Theologie und Religionspädagogik, Band 3, 198 Seiten, broschiert, 29,90 €, ISBN 978-3-8309-3809-5

Mit Beiträgen von

Bacem Dziri, Jürgen Wasim Frembgen, Martina Kraml, Halima Krausen, Rüdiger Lohlker, Wolfram Reiss, Mirjam Schambeck, Erol Yıldız

 

 

Im Aargau wird in der Pflege das Tragen von Kopftüchern toleriert. Wichtig sei aber, dass Hygiene-Standards eingehalten würden, heisst es in den Spitälern, die die Aargauer Zeitung zu diesem Thema befragt hat. Ausgelöst hatte diese Recherche offenbar eine AZ-Leserin, die sich per E-mail bei der Redaktion beschwert hatte: «Im Aufzug des Spitals Rheinfelden standen zwei sehr junge Frauen im weissen Kittel – eine davon mit Kopftuch». Sie meinte, dass dies verboten sei…

Lesen Sie hier den vollständigen Artikel auf AZ online vom 19.7.2018.

 

In einem Interview mit der NZZ äusserst sich Pascal Gemperli, Sprecher der Föderation islamischer Dachorganisationen der Schweiz, zu einer neuen Langzeitstudie der Uni Zürich, die zum Schluss kommt, dass das Gewaltrisiko bei muslimischen Jugendlichen erhöht sei. 

Gemperli hat Zweifel, dass der Islam das bestimmende Element für Jugendgewalt sein soll. Dies widerspreche der Erfahrung im Alltag. Auf der anderen Seite stimmt er aber dem Studienleiter Denis Ribeaud, der von der Gefahr der Stigmatisierung spricht, zu. Seit 2013 hätten sich die Fälle von Diskriminierung mehr als verdoppelt, in den Medien zählte die FIDS 2016 und 2017 eine überwiegende Mehrheit von distanzierten Artikeln, die empathischen tendierten gegen null. Der Islam in seiner Vielfalt würde zunehmend auf problematische Elemente wie Terror und Radikalisierung reduziert.

Lesen Sie hier das vollständige Interview auf NZZ online vom 17. Juli 2018.

Das traditionelle islamische Familienlager findet heuer vom 14.-16. September 2018 in Bonndorf im süddeutschen Schwarzwald statt.

Dieses Jahr konnte die deutsch-türkische Bloggerin und Aktivistin Kübra Gümüsay gewonnen werden. Die studierte Politikwissenschaftlerin aus Hamburg mit türkischen Wurzeln betätigt sich als Journalistin, Aktivistin und Referentin. Als freie Autorin schreibt sie für Medien wie Die Zeit, Zeit Campus, die Taz, und sie referiert zu den Themen Politik, Islam, Rassismus, Feminismus und Social Media. Dadurch gehört sie mittlerweile zu den prägenden Köpfen unter den Muslimen in Deutschland.

Wie immer stehen auch Islamunterricht für Kinder und diverse Freizeit- und Sportaktivitäten auf dem Programm, welches hier heruntergeladen werden kann.

Ab sofort kann man sich mit dem Online-Anmeldeformular anmelden. Die Platzzahl ist beschränkt, es gilt der Grundsatz «First come, first served.»

ACHTUNG: Die Anmeldung wird  erst definitiv, wenn die entsprechende Teilnahmegebühr einbezahlt worden ist.

 

In seiner Dissertation erarbeitet Hakan Aydin, promovierter Theologe und Lehrbeauftragter an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, die Konturen eines in Europa lebbaren Islam heraus. Er stützt sich dabei auf die fünf Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, u.a. das Prinzip der Ausräumung von Schwierigkeiten, also das Prinzip der Erleichterung.

Lesen Sie hier unsere neueste Buchrezension.

Buchrezension Islam im europaeischen Zusammenlebenvon Hamit Duran, Turgi/Nürnberg —

In seiner Dissertation erarbeitet Hakan Aydin, promovierter Theologe und Lehrbeauftragter an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, die Konturen eines in Europa lebbaren Islam heraus. Er stützt sich dabei auf die fünf Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, u.a. das Prinzip der Ausräumung von Schwierigkeiten, also das Prinzip der Erleichterung.

Viele Musliminnen und Muslime haben noch den Satz des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff in den Ohren: «Der Islam gehört zu Deutschland.» Hakan Aydin formuliert diesen Satz aus islamischer Perspektive etwas um: «Die Ausübung des Islam ist auch im Kontext europäischer Kultur möglich.»

Am Beispiel von Qur’an-Auszügen und Aussagen islamischer Gelehrter zeigt Hakan Aydın, dass das Leben nach islamischen Glaubenssätzen trotz einiger Herausforderungen, beispielsweise beim Thema der Essenszubereitung oder im intergeschlechtlichen Zusammenleben, in Europa durchaus möglich ist. Grundlage dafür ist das im gesamten Qur’an zu findende «Prinzip der Erleichterung», welches es Gläubigen ermöglicht, islamisch-rechtliche Normen nicht absolut, sondern den Bedingungen nicht beeinflussbarer Umstände angepasst auszulegen.

Zu Beginn seiner Arbeit erklärt der Autor in kurzen Zügen die Hauptquellen der islamischen Normenlehre. Neben dem Qur’an und der Sunna (der Tradition des Propheten Muhammad), gehören der Konsens der Gelehrten (arab. Idschmâ‘), der Analogieschluss (arab. Qiyâs) und andere dazu. Auch die Methodik, wie diese Quellen verwendet werden, wird kurz erläutert.

Danach widmet Aydin ein ganzes Kapitel den islamisch- theologischen Grundlagen, welche das Zusammenleben von Muslimen mit Nichtmuslimen in Europa betrifft. Anhand von Aussagen im Qur’ân und unter Beizug von Texten früherer und zeitgenössischer Gelehrter zeigt er auf, dass der Qur’ân ein friedliches Zusammenleben verschiedener Gemeinschaften befürwortet und fördert. Dazu muss man sich aber immer bewusst sein, dass der Qur’ân alle Lebensbereiche umfasst und sich auch auf spezielle Situationen, wie zum Beispiel den Kriegsfall, beziehen kann. Da es Europa geschafft hat, einen mehr oder weniger stabilen Friedenszustand zu etablieren, können entsprechende Gebote oder Verbote natürlich nicht angewendet werden, obwohl dies immer wieder behauptet wird.

Im dritten Kapitel behandelt der Autor dann ganz konkrete Probleme betreffend die Religionspraxis der muslimischen Gesellschaft in Europa. Er geht dabei mehr oder weniger immer nach dem gleichen Muster vor. Zunächst erklärt und analysiert er anhand des Qur’ân und der Sunna die Grundlagen der jeweiligen gottesdienstlichen Handlung wie z.B. das fünfmal tägliche rituelle Gebet oder das Fasten im Monat Ramadan. Danach zeigt er auf, welche Erleichterungen jeweils möglich sind; z.B. das Zusammenlegen zweier Gebete (arab. Dscham‘). Er erörtert dabei auch die Standpunkte verschiedener früherer und zeitgenössischer Gelehrter, welche sich mit dem Thema befasst haben, wobei auffällt, dass er, wohl aufgrund seiner Herkunft, sehr häufig türkische Gelehrte zitiert. Schliesslich gibt er meistens noch eine persönliche Empfehlung ab, die es dem nach Rat suchenden Leser erleichtert, eine Entscheidung zu treffen.

Dem Thema Schlacht- und Speisevorschriften räumt Aydin besonders viel Platz ein. Neben den klassischen Themen wie Islam-konforme Schlachtung, Schweinefleisch und Alkohol, widmet er sich auch den in Europa häufig verwendeten Zusatzstoffen, wie Gelatine (das in der Regel vom Schwein gewonnen wird), E471 (Mono- und Diglyceride), E920/E921 (L-Cystein/L-Cystin, welche aus Menschen- oder Schweinehaaren hergestellt werden) und tierisches Lab, das für die Käseherstellung verwendet wird. Auch hier analysiert er die islamischen Vorschriften aufgrund der Quellenlage und zeigt auf, dass manche Dinge nicht unbedingt so sein müssen, wie sie zu Beginn scheinen. So sind im Islam die Prinzipien von Istihâlah (Wesensumwandlung infolge chemischer Prozesse) und Istihlâq (Verschwinden aufgrund von Verdünnung) bekannt und wurden von Gelehrten angewandt, um die Zulässigkeit von Speisen zu beurteilen.

Bemerkenswert ist auch sein Vorgehen, bei der Analyse des Qur’an bei der Untersuchung eines spezifischen Themas. Er pickt dabei nicht nur einzelne Verse heraus und diskutiert diese, sondern er analysiert alle Verse, die mit dem Thema in Verbindung stehen oder dazu eine Aussage machen und erarbeitet somit ein gesamtheitliches qur’anisches Bild. Dies wird z.B. sehr schön deutlich in dem Abschnitt, in dem er sich der Freundschaft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen widmet. Es gibt Verse im Qur’an, welche die Freundschaft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen einschränken. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich aber, dass dies an bestimmte Bedingungen geknüpft ist wie zum Beispiel im Krieg, oder wenn Nichtmuslime versuchen, Gläubige aus ihren Häusern zu vertreiben. Ist dies nicht der Fall, so spricht nichts dagegen, Freundschaften zu schliessen. Sogar jenen gegenüber, denen keine Freundschaft gewährt werden kann, soll kein zu grosser Hass empfunden werden, denn wer weiss, ob diese nicht irgendwann einmal zu Freunden werden…

Auch vieldiskutierten Themen wie Geschlechterverhältnis, Bekleidungsvorschriften oder Teilnahme an Schullagern etc. in der Schule hat der Autor einen längeren Abschnitt gewidmet und gibt auch hier wieder eine Vielzahl von praktischen Ratschlägen. Das Blut gefror kurz in meinen Adern, als ich zum Thema Klassenlager über ein persönliches Erlebnis des Autors las. Seine Tochter nahm zusammen mit anderen muslimischen Mitschülerinnen und Mitschülern an der Abitur-Abschlussklassenfahrt teil. Dabei ertrank offenbar ein 20-jähriger Mitschüler aufgrund zu hohen Alkoholkonsums. Dies ist ein trauriger Beleg für die Ängste mancher muslimischer Eltern, die an sich nichts gegen Klassenfahrten oder dergleichen haben, sich aber vor solchen Exzessen fürchten und ihre Kinder davor beschützen möchten.

In einem gesonderten Abschnitt beleuchtet der Verfasser auch finanzielle Aspekte, namentlich das Zinsverbot (arab. ribâ) und den Umgang mit Banken und Krediten. Dabei erläutert er zunächst die qur’ânischen Grundlagen des Zinsverbotes, zeigt dann Alternativen auf, die der Islam anbietet, um dann auf die praktische Anwendbarkeit im europäischen Kontext einzugehen. Wichtig dabei ist die Erkenntnis, dass nicht alles, was mit dem Wort Zins bezeichnet wird, notwendigerweise unter das Zinsverbot fällt. So ist beim Hauskauf das Prinzip der Murâbaha (Verkauf mit Gewinnaufschlag) eine islamische Alternative, die in Ländern wie England oder Amerika von islamischen Banken bereits angeboten wird. Dabei kauft die Bank das betreffende Haus und verkauft es dann mit Gewinn an den zukünftigen Hausbesitzer weiter. Dieser zahlt das Haus in Raten ab, wobei der Totalbetrag von Anfang an bekannt ist und sich nicht ändert, auch wenn der Schuldner mit seiner Ratenzahlung einmal in Verzug gerät oder sogar mehr als abgemacht bezahlt. Da es solche Angebote im deutschsprachigen Raum praktisch (noch) nicht gibt, erteilt Aydin wiederum praktische Ratschläge, wie ein Haus für den Eigenbedarf auf erlaubte Weise trotzdem erworben werden kann.

Das letzte Kapitel widmet der Autor der Arbeit von Moscheevereinen und Dachverbänden in Deutschland. Obwohl sich die demografische Zusammensetzung der muslimischen Bevölkerung in Deutschland ziemlich stark von jener in der Schweiz unterscheidet, lassen sich viele Erkenntnisse auch in unserem Kontext anwenden. In diesem Zusammenhang möchte ich nur auf einen Punkt hinweisen, der jedes Jahr für innerislamische Diskussion sorgt: die Bestimmung von Beginn und Ende des Fastenmonats Ramadan. Zur Erinnerung: der islamische Kalender ist ein Mondkalender und der jeweilige Monatsbeginn wird durch den Neumond bestimmt. Der Autor legt dar, dass es dazu Belege gibt, die einerseits die tatsächliche Sichtung fordern, andererseits aber auch solche, die die Berechnung des Neumondes zulassen. Aufgrund der Situation in Europa (z.B. Schwierigkeiten kurzfristig Ferien zu nehmen etc.) sowie des aktuellen Standes der Astronomie, die mittlerweile eine sehr präzise Berechnung des astronomischen Neumondes ermöglicht, regt der Autor an, dass die muslimischen Verbände sich zusammenschliessen und einen gemeinsamen Ramadankalender herausgeben, der auf astronomischer Berechnung beruht. Dies begründet er damit, dass nicht die Sichtung an sich, sondern die Bestimmung des Monatsanfangs das eigentliche Ziel ist. Wie aus einem Hadith hervorgeht, gab es die Möglichkeit der Berechnung damals noch nicht, weshalb der Monatsanfang durch Sichtung bestimmt werden musste.
Im Anhang seiner Arbeit gibt Aydin auch die Übersetzung einer Erklärung wider, die anlässlich einer von der türkischen Religionsbehörde Diyanet im November 1978 in Istanbul organisierten Konferenz zum Thema Bestimmung des Ramadan-Neumondes verabschiedet worden war. Insgesamt 19 muslimische Länder hatten daran teilgenommen, jedoch wurden die darin formulierten Empfehlungen aber nie umgesetzt. Immerhin hat der Kooordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) im Jahre 2008 einen Beschluss gefasst und einen auf Berechnung beruhenden einheitlichen Ramadankalender veröffentlicht (siehe dazu den Artikel auf islam.de vom 27.8.2008). Ob sich aber alle daran halten, ist eine ganz andere Frage… Interessanterweise erwähnt dies der Autor in seiner Arbeit aber nicht.

Den Abschluss der vorliegenden Arbeit bildet ein Kapitel zu Geschichte des Propheten Josef (arab. Yusuf), wie sie im Qur’ân ausführlich erzählt wird. Sein Leben kann dabei als Leitbild für die in der Diaspora oder in einem nichtmuslimischen Umfeld lebenden Muslime dienen. Ich finde, dass dies ein sehr schöner Abschluss dieses lesenswerten Buches ist.

 

 

Zum Autor

Hakan Aydın wuchs in Deutschland und der Türkei auf, studierte an der theologischen Fakultät der Universität Ankara und promovierte 2016 an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, wo er als Lehrbeauftragter tätig ist. Seine Erfahrungen in verschiedenen islāmischen Verbänden und in der kulturellen und religiösen Vielfalt der deutschen Gesellschaft gaben den Impuls für dieses Buch.

Bibliografie

Hakan Aydin, Der Islam im europäischen Zusammenleben – Das Prinzip der Erleichterung nach islamisch-rechtlichen Normen, Waxmann Verlag, Münster 2016, 216 Seiten, broschiert: 29.90 € / Fr. 41.90, ISBN 978-3-8309-3481-3, E-Book: 26.99 € / Fr. 31.90, ISBN 978-3-8309-8481-8

 

 

 

Und wieder ein Vorstoss von Saïda Keller-Messahli, der Präsidenten des Forums für eineni fortschrittlichen Islam (FFI). Dieses Mal möchte sie eine elektronische interaktive Karte der rund 300 Moscheen in der Schweiz erstellen, um mehr Transparenz zu schaffen. Gemäss einem Bericht in der Basler Zeitung braucht sie für Aufbau und Betrieb 180’000 Franken und hat deshalb diverse Kantone angefragt, bis jetzt jedoch ohne grossen Erfolg.

Man darf gespannt sein, wie dieses Projekt weitergeht… 

Lesen Sie hier den vollständigen Artikel auf BAZ online vom 28.6.2018.

Eine neue Gruppe um die Basler Juristin Stephanie Siegrist will keine öffentlich-rechtliche Anerkennung der islamischen Dachverbände, keine Kopftücher an öffentlichen Schulen für Lehrerinnen und Minderjährige und an Gerichten und ist gegen die Burka.

Die Gruppe, bestehend aus Siegrist, der Basler Grossrätin Ursula Metzger, der Journalistin Monika Zech und dem Lausanner Stadtparlamentarier Benoît Gaillard, will in der SP eine entsprechende Wertedebatte lancieren. Dies gefällt offenbar nicht allen Parteigenossinnen und -genossen.

Lesen Sie hier den vollständigen Artikela aus BAZ online vom 25. Juni 2018

Wie der Verband Aargauer Muslime (VAM) berichtet, wurde am 13. Juni 2018, also nur 9 Tage nach der offiziellen Eröffnung, der erste Verstorbene auf dem neuen muslimischen Grabfeld in Baden bestattet. 

«Innâ Li-llahi wa innâ ilayhi râdschi’ûn. – Zu Allah gehören wir, und zu Ihm ist unsere Rückkehr.»

Rund 250 Personen, Frauen und Männer, fanden sich in der Abdankungshalle des Friedhofes Liebenfels in Baden ein, um vom Verstorbenen Abschied zu nehmen und danach das gemeinsame Totengebet beim muslimischen Grabfeld zu verrichten. Anschliessend wurde der schlichte Holzsarg im vorbereiteten Grab beigesetzt.

Weitere Informationen zum muslimischen Grabfeld in Baden finden sich auf der VAM-Webseite.

Am 8. Juni 2018 kündigte die Österreichische Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) anlässlich einer Pressekonferenz die Schliessung von 7 Moscheen an.

Das für Religionsfragen zuständige Kultusamt begründete die Schliessung demnach mit Verstössen gegen das Islamgesetz. Wegen verbotener Auslandsfinanzierung könnten zudem bis zu 40 Imame des Dachverbands der türkischen Moscheegemeinden in Österreich ihren Aufenthaltstitel verlieren.

Das Islamgesetz von 2015 enthält unter anderem eine ausdrückliche Festlegung des Vorrangs des österreichischen Rechts vor den islamischen Glaubensvorschriften. Geregelt werden auch der rechtliche Status der Organisationen und Moscheevereine, und die Auslandsfinanzierung von religiösen Funktionsträgern wird untersagt. Daneben werden auch Rechte wie das Recht auf Seelsorge, männliche Beschneidung und Speisvorschriften geregelt. Lesen Sie hier ein kurze Zusammenfassung auf ORF.at.

Neben der Türkei haben auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) scharf darauf reagiert. In einer Stellungnahme empört sich die IGGÖ «über die Vorgehensweise der Bundesregierung unter dem Deckmantel „Kampf gegen den politischen Islam“». So wird eine sachliche Begründung, wie die Selektion der zu schließenden Vereine erfolgte, bemängelt. Auch wird auch moniert, dass  Politiker, welche sich bis vor kurzem noch mit Vertretern der jetzt kritisierten Vereine in Wahlkampfzeiten fotografieren liessen, diese Einrichtungen jetzt als radikale und extremistische Institutionen an den Pranger stellen. Schliesslich wird ein Drei-Punkte-Plan angekündigt, um die Vereinsstrukturen der betroffenen Moscheen zu eruieren und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. Ausserdem soll das Kultusamt angegangen und eine Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen angefordert werden, da bis dato eine adäquate Miteinbeziehung nicht erfolgt sei. Schliesslich soll auch eine rechtliche Überprüfung der gegenständlichen Massnahmen veranlasst werden.