Nachdem der frühere Sprecher der Genfer Moschee, Hafid Ouardiri, eine Beschwerde gegen den Volksentscheid beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg deponiert hat, sind im gemäss einem Bericht der NZZ vier weitere Organisationen gefolgt. Das Gericht soll feststellen, ob das Verbot gegen die Religionsfreiheit und das Diskriminierungsverbot verstösst.
Lesen Sie hier den vollständigen Bericht auf NZZ online.
Die Aussichten auf Erfolg stehen aber eher schlecht. So schreibt die NZZ in ihrer Ausgabe vom 17. Dezember 2009:
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Die Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die der frühere Sprecher der Genfer Moschee, Hafid Ouardiri, anhängig gemacht hat, dürfte wenig Chancen auf eine inhaltliche Behandlung haben. Um Beschwerde in Strassburg führen zu können, muss der Beschwerdeführer selber Opfer einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sein. Allein wegen des Abstimmungsergebnisses ist dies nach Meinung eines ausgewiesenen Kenners der Materie noch nicht gegeben.
Unzulässige Abkürzung
Eine kleine Unsicherheit besteht freilich, ob der Menschenrechtsgerichtshof allenfalls eine potenzielle Betroffenheit als Opfer doch annehmen könnte. Bei der Frage, ob jemand bei Rückweisung in sein Heimatland der Folter ausgesetzt sein könnte, genügt nämlich jeweils der Nachweis der Gefährdung. Doch in diesen Fällen ist die Situation weit schlüssiger als beim Minarettverbot. Die Freiburger Professorin für Europarecht, Astrid Epiney, erachtet denn auch die direkte Beschwerde an den Menschenrechtsgerichtshof für unzulässig.
Anders hingegen wäre es, nachdem ein Baugesuch für ein Minarett abgelehnt worden wäre. Hier kann der Gesuchsteller an den Menschenrechtsgerichtshof gelangen. Dabei ist erforderlich, dass der innerstaatliche Instanzenzug, über das kantonale Verwaltungsgericht und das Bundesgericht, zuvor durchlaufen worden ist. Der Gerichtshof sieht von dieser Bedingung jedoch ab, wenn nachweislich ein Rechtsmittel nicht effektiv ist, weil zum Vorneherein eine Ablehnung feststeht. In diesen Fällen akzeptiert er Beschwerden, die direkt bei ihm anhängig gemacht werden.
Bundesgerichtsentscheid offen
Wie das Bundesgericht indessen entscheiden würde, steht für Epiney nicht unbedingt fest. Für nicht völlig ausgeschlossen hält sie, dass dieses – wie bei Gesetzesbestimmungen bereits geschehen – den neuen Verfassungsartikel nicht anwenden könnte. – Direkt an den Menschenrechtsgerichtshof gelangen könnte hingegen ein anderer Mitgliedstaat des Europarats. Eine solche Staatenbeschwerde wird jedoch jeweils nur gegen ein Land angestrebt, mit dem ein schwerwiegender Konflikt besteht.
Zumeist wird vor Gericht eine gütliche Lösung gesucht. Ein verurteiltes Land ist dabei verpflichtet, an den Ministerrat Bericht zu erstatten. Die Sanktion im äussersten Fall besteht im Ausschluss aus Zumeist wird vor Gericht eine gütliche Lösung gesucht. Ein verurteiltes Land ist dabei verpflichtet, an den Ministerrat Bericht zudem Europarat. Diese mit einer Zweidrittelmehrheit zu beschliessende Massnahme wurde bis heute erst einmal verhängt: gegen die griechische Militärjunta in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Staatenbeschwerden kommen hingegen öfters vor, zurzeit sind beispielsweise zwei Beschwerden Russlands gegen Georgien hängig.
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