Die FIDS betrachtet die Initiative zum Verhüllungsverbot als reine Symbolpolitik und lehnt die Vorlage ab. Stattdessen schliesst sich die FIDS dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates und der einstimmig gefassten Mittteilung des Schweizerischen Rates der Religionen an, welche ein deutliches Zeichen für ein friedliches Zusammenleben ist.
In der Schweiz gibt es laut Studie der Universität Luzern ungefähr 20 bis 30 Nikabträgerinnen. Damit wäre ein Bevölkerungsanteil von lediglich 0.0003% von dieser Verfassungsänderung betroffen. Entgegen den Voten der Verbotsbefürworter handelt es sich in der Schweiz kaum um ausländische Extremisten, sondern meistens um Konvertitinnen, welche die Verhüllung aus freien Stücken und aus religiöser Überzeugung gewählt haben. Die kürzlich erschienene Studie “Verhüllung” von Dr. Andreas Tunger-Zanetti gibt erstmals vorliegende wissenschaftliche Einblicke in die Situation in der Schweiz.
Die FIDS ist der Auffassung, dass eine Kleiderordnung in der Verfassung nicht mit einem liberalen Rechtsstaat vereinbar ist. Ein allfälliger Extremismus wird mit dem Verbot nicht unterbunden, da eine Ideologie nicht durch Kleidervorschriften eliminiert werden kann.
Somit stellt sich die Frage, ob eine in der Verfassung verankerte und symbolisch gegen Muslime gerichtete Kleidervorschrift tatsächlich der richtige Weg ist. Falls ein Verbot den Muslimen erneut signalisieren soll, sich gefälligst ruhig zu verhalten und möglichst lautlos zu sein, dann passt das nicht zu unserer liberalen und freien Schweiz. Dieser fragwürdige Antrieb darf nicht zum festen Nenner im Austausch mit dem muslimischen Bevölkerungsanteil werden.
Ist nur eine unsichtbare Muslimin oder unsichtbarer Muslim gut?
Daher sehen wir uns verpflichtet erneut festzuhalten, dass die allermeisten Musliminnen und Muslime in der Schweiz keine Provokateure sind. Wir sind ein Teil der schweizerischen Gesellschaft und leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Sei es im Spitzensport, in der Wissenschaft, in der Wirtschaft, im Gesundheitsbereich, in der Armee oder im interreligiösen Bereich. Musliminnen und Muslime leisten viel für die Schweiz. Die FIDS steht in regelmässigem Austausch mit den Behörden und dem Staat. Deshalb appellieren wir an die Vernunft aller Bürgerinnen und Bürger, nicht zuzulassen, dass unsere Gesellschaft gespalten wird. Musliminnen und Muslime sind keine Bürger zweiter Klasse. Die seit 20 Jahren von immer den gleichen “Experten“ und Scharfmachern heraufbeschworene starke Zunahme der muslimischen Bevölkerung oder Islamisierung der Schweiz ist und bleibt leider eine perfide Angstmacherei. Der ganze künstliche Diskurs führt dazu, dass Muslime auf der Strasse von der Bevölkerung genauso grimmig angesehen werden, wie es auf dem unsäglichen Plakat karikiert wurde. So wurde in einem im Dezember 2020 erschienenen Bericht des Bundesamtes für Statistik bestätigt, dass 35% der muslimischen Wohnbevölkerung in der Schweiz eine diskriminierende Erfahrung aufgrund der Religion erlebt hat1. Ist das der Preis, den wegen solchen Initiativen und Vorstössen pauschal Muslime zahlen sollen?
FIDS Media, 28.01.2021
Medienmitteilung des Rates der Religionen
Link zum Buch von Dr. Andreas Tunger-Zanetti
1 Bundesamt für Statistik, 14.12.2020 – Religion und Spiritualität in der Schweiz im Wandel