Lesen Sie hier einen Arikel aus der Neuen Luzerner Zeitung vom 27. März 2006:

 

 

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Grabfeld dient der Integration

Ein Grabfeld für Muslime trägt zur Integration bei, sagt der Stadtrat.  Die Muslime ihrerseits wollen sich Schweizer Gepflogenheiten anpassen.

von Ruth Schneider

Vor drei Jahren hat der Dachverband der Islamischen Organisationen des Kantons Luzern (VIOKL) dem Stadtrat ein Gesuch für einen Friedhofteil zur Erdbestattung von Musliminnen und Muslimen eingereicht. Am Samstag präsentierten Stadtpräsident Urs W. Studer, Stadtgärtner Thomas Schmid und  Yusuf Sabadia, Präsident Viokl, das Projekt vor rund 50 Interessierten. Demnach erhalten die 7800 in Stadt und Agglomeration lebenden Muslime (die  Hälfte der im Kanton Luzern lebenden Muslime) im Mai 2007 im Friedhof Friedental neben dem alten jüdischen Friedhof ihr eigenes Grabfeld mit 294 Grabstellen. Diese sind nach Mekka ausgerichtet. Der Verstorbene wird mit dem Gesicht nach rechts, in Richtung Mekka blickend, beigesetzt.

Anpassung zugesichert

Es wird mit 11 bis 16 Bestattungen pro Jahr gerechnet. Eine Dreifachbelegung ist technisch möglich: Die erste Bestattung in 2 Meter Tiefe, die zweite  nach 20 Jahren in 1,75 Meter und die dritte nach weiteren 20 Jahren in 1,5  Meter Tiefe. Für späteren weiteren Bedarf kann die Stadt Platzreserven auf  zwei angrenzenden Grabfeldern bereitstellen. Für Stadtpräsident Urs W. Studer entspricht das Gesuch der Muslime für ein  eigenes Grabfeld «dem Wunsch nach Integration und Anerkennung der hier  lebenden Menschen muslimischen Glaubens. Wer hier begraben werden will, ist  Teil der Gesellschaft, fühlt sich hier zu Hause und sieht die Zukunft seiner  Familie hier.» Die stärkere Identifikation von Migrantinnen und Migranten  mit ihrem Lebensumfeld sei auch ein «zentrales Anliegen der städtischen  Integrationspolitik».

Schweiz für viele Muslime Heimat

Yusuf Sabadia betonte, für viele hier lebende Muslime sei die Schweiz zur  Heimat geworden, sie fühlten sich hier verwurzelt. «Die Überführung von  verstorbenen Familienangehörigen ins alte Heimatland ist deshalb keine  geeignete langfristige Lösung. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir unsere  Verstorbenen in Würde begraben können, und auch der Gräberbesuch hat eine  grosse Bedeutung. Dies wird mit dem geplanten Grabfeld erfüllt.» Die  muslimische Gemeinde sei bereit, Kompromisse einzugehen und sich bei der  Bestattung schweizerischen Gepflogenheiten anzupassen:

  • Verwendung von Särgen (in der Schweiz gesetzliche Vorschrift), im Gegensatz zur islamischen Bestattung, bei welcher der Leichnam nur in einfache weisse Leintücher eingewickelt wird.
  • Verzicht auf die im Islam zum Teil übliche ewige Grabesruhe; Mehrfachbelegung von Grabfeldern möglich.
  • Verzicht auf Beerdigung innert 24 Stunden nach dem Tod, Anpassung an die hier üblichen Fristen.

Erwartungen an Muslime

Yusuf Sabadia und Stadtpräsident Urs W. Studer betonten die gute Zusammenarbeit bei diesem Projekt. Die christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften haben schon früher ihre Zustimmung zum muslimischen  Grabfeld signalisiert. Der reformierte Pfarrer Beat Hänni sagte am Samstag.  «Wir setzen uns für Integration und Religionsfrieden ein. Ein muslimisches  Grabfeld gehört zum gegenseitigen Entgegenkommen. Allerdings ist damit auch  eine klare Erwartung an die Muslime verbunden: dass sie unsere Sitten und  unsere demokratischen Spielregeln respektieren und auch Schritte der  Integration auf uns zu machen.» Negative Stimmen gab es an dieser Veranstaltung keine. Das Projekt stösst  auch bei den Fraktionen im Grossen Stadtrat bisher auf positive Resonanz.  SVP-Präsident René Kuhn sagte gegenüber unserer Zeitung, er sei zwar nicht  grundsätzlich gegen das muslimische Grabfeld, doch sollten die Muslime es  selbst bezahlen. Anders sieht dies Beat Stocker, SVP-Gemeinderat in Littau.  «Ich freue mich, dass der Gemeinderat Littau einen finanziellen Beitrag an  das Grabfeld gesprochen hat. Dieser Solidaritätsakt ist ein Zeichen der  Wertschätzung und wird uns in den weiteren Bemühungen für ein Miteinander  voranbringen», schreibt er in einer Medienmitteilung.

Sieben Gemeinden wollen mitmachen

  • Die Stadt Luzern hat die Agglomerationsgemeinden eingeladen, sich am muslimischen Grabfeld zu beteiligen. Diese sieben Gemeinden machen mit und zahlen einen Beitrag nach einem Kostenschlüssel laut Einwohnerzahl und Steuerkraft: Emmen, Horw, Kriens, Littau, Rothenburg, Dierikon, Root.
  • Nicht beteiligen wollen sich Adligenswil, Buchrain, Gisikon, Honau, Meggen, Udligenswil. Die Gründe seien vorab finanzieller Natur, sagt Stadtgärtner Thomas Schmid.
  • Einzelne Gemeinden hätten geltend gemacht, bei ihnen bestehe kein Bedürfnis nach einem muslimischen Grabfeld, weil nur sehr wenige Muslime in der Gemeinde lebten.
  • Ebikon hat sich noch nicht entschieden. Die Signale seien positiv, sagt Thomas Schmid.
  • Die Stadt Luzern würde weitere muslimische Grabfelder im Kanton Luzern begrüssen, sagt Thomas Schmid. In der übrigen Schweiz gibt es solche in Zürich, Genf, Basel, Bern und Winterthur.

Im Kanton Luzern leben 13 200 Personen, die islamischen Glaubensgemeinschaften angehören. 300 000 Personen sind Angehörige christlicher Kirchen.

 

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