Am 31. Oktober 2008 wurde Taner Hatipoglu zum neuen Präsidenten der VIOZ gewählt. In dieser Funktion gewährte er dem «Limmattaler Tagblatt» ein Interview, das am 18. November 2008 unter dem Tite «Der Wille zur Integration ist da» abgedruckt wurde.

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Der Oetwiler Taner Hatipoglu wurde zum neuen Präsidenten der Vereinigung islamischer Organisationen in Zürich gewählt. Kommunikation ist für ihn der Schlüssel zu einem friedlichen Zusammenleben.


Herr Hatipoglu, im Limmattal haben das Jahr hindurch verschiedene Treffen zwischen den Landeskirchen und der islamischen Gemeinschaft stattgefunden. Wie fruchtbar sind solche Dialoge?

Taner Hatipoglu: Solche Dialoge sind die wichtigste und effizienteste Methode sich kennen zu lernen. An solchen Treffen tritt man in direkten Kontakt zueinander. Die echte Begegnung zwischen den Menschen ist die Lösung der Probleme, die im Zusammenleben zwischen den verschiedenen Religionen auftauchen. Damit ein solcher Dialog aber gelingt, braucht es die Bereitschaft beider Seiten. Zudem muss er gut organisiert sein. Mit den Landeskirchen hat das gut geklappt. Es gibt aber auch andere Beispiele.

Welche?

Hatipoglu: Vor wenigen Wochen haben die Moscheen in Zürich einen «Tag der offenen Moschee» organisiert. Leider haben damals nur wenige Leute die Gelegenheit benutzt, die Moscheen zu besuchen. Für uns stellt sich deshalb die Frage, wie wir Begegnungen zwischen den Menschen organisieren können, die über den Rahmen der Kirche hinausgehen. Wie erreichen wir die Leute ausserhalb der Kirche? Das ist eine schwierige Aufgabe, zumal wir aufpassen müssen, dass wir nicht als aufdringlich oder missionarisch wahrgenommen werden.

Worauf führen Sie die Schwierigkeit zurück, Menschen zu einem Dialog zusammenzubringen?

Hatipoglu: Der Islam befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation in unserer Gesellschaft. Fast täglich erreichen uns negative Nachrichten aus dem Ausland, sei dies aus Palästina, dem Irak, Afghanistan oder Pakistan. Dazu gesellen sich parteipolitische Kräfte in unserem Land, die den Islam als Problem darstellen. Das ist eine schlechte Kombination. Sie suggeriert die Vorstellung, dass das, was im Ausland geschieht, auch bei uns gesehen kann. Diese Ängste der Leute müssen nicht einmal rational begründet sein. Sie finden eher auf einer emotionalen Ebene statt. Dadurch wird es schwierig, Leute für einen Dialog zu motivieren.

Sie haben politische Kräfte angesprochen, die den Islam als Gefahr sehen. Dazu gehört auch die Diskussion über ein Minarett-Verbot. Wie werden solche Themen von den Muslimen wahrgenommen?

Hatipoglu: Viele Muslime fühlen sich von der Gesellschaft ausgegrenzt. Wir aber wollen uns öffnen. Das ist sehr kontraproduktiv für unser Anliegen und tritt der Integration entgegen. Solche Diskussionen richten sich gegen alles, wofür wir kämpfen. Wenn man sich an einem Ort wohl fühlt, dann fühlt man sich dort auch zuhause. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Situation der Muslime in der Schweiz eine ganz andere ist als beispielsweise in Deutschland oder Frankreich. Dort existieren bereits solche Parallelgesellschaften, von denen man sich fürchtet. Durch die Ausgrenzung ist man aber auch bei uns auf dem Weg, solche Gesellschaften zu kreieren.

Ein anderes Symbol, das oft zu reden gibt, ist das Kopftuch.

Hatipoglu: Es verhält sich ähnlich wie bei den Minaretten. Sowohl das Kopftuch als auch das Minarett sind sichtbare Symbole, die die Religion sichtbar machen. Es sind Stellvertreterdebatten, die geführt werden. Nicht der theologische Aspekt bereitet Probleme, sondern die Sichtbarkeit der Religion. Diese Diskussionen sind ein Versuch, eine Minderheit zu schaffen, die nicht sichtbar ist, und die man dann ignorieren kann. Solche Debatten erschweren allerdings eine Integration.

Was macht für Sie eine gelungene Integration aus?

Hatipoglu: Sobald die Religionszugehörigkeit eines Menschen keine Rolle mehr spielt, ist die Integration gelungen. Dieses Ziel erreicht man aber nur durch Kommunikation und gegenseitige Bereitschaft, sich miteinander auseinander zu setzen. Daran arbeiten wir. Auch daran, die Fehler der Muslime zu reduzieren. Denn auch die Muslime sind keine Mustermenschen. Ihr Wille, sich zu integrieren, ist aber auf jeden Fall vorhanden. Wenn auch der Wille der Mehrheitsgesellschaft zu ihrer Integration da ist, haben wir den grössten Schritt getan.

Dazu ist es aber notwendig, dass die Menschen sich auch in ihrem Alltag besser kennen lernen.

Hatipoglu: Ja. Es ist aber eine schwierige Aufgabe. Besonders für die erste Generation. Die Hemmschwelle aufeinander zuzugehen ist auf beiden Seiten noch sehr hoch. Eine von beiden Seiten muss den ersten Schritt machen, dann sehe ich eine positive Entwicklung. Das heisst für die Muslime, dass auch sie ihre Hausaufgaben machen müssen, um sich im Alltag zurechtzufinden. Bei der zweiten und dritten Generation sehe ich weniger Probleme. Und auch von der Seite der Schweiz sind die Voraussetzungen gegeben, damit die Integration gelingt. Das Land ist sich an Vielfalt gewöhnt.

Warum, denken Sie, wird die zweite und dritte Generation weniger Probleme haben sich in der Schweiz zu integrieren?

Hatipoglu: Diese Kinder sind hier aufgewachsen und sehen die Schweiz als ihre Heimat. Das Land ihrer Eltern kennen viele nur aus den Ferien. Probleme entstehen aber noch dort, wo den jungen Leuten auf Grund ihres Namens Hürden in den weg gestellt werden. Das ist eine Bürde, die die Gesellschaft und die Eltern ihren Kindern aufgeladen haben, ohne sie zu fragen. Doch ich bin überzeugt, dass diese Generation ihren Weg machen wird. Eines dürfen wir nämlich nicht vergessen: Wir sind in der Schweiz mit unseren Integrationsbemühungen schon weit. Viele Muslime sind gut integriert. Trotzdem steht uns noch ein langer Weg bevor, bis alle integriert sind.

Taner Hatipoglu

Der 52-jährige Taner Hatipoglu ist neuer Präsident der Vereinigung islamischer Organisationen in Zürich. Er kam 1973 als Student aus der Türkei in die Schweiz und studierte an der ETH Chemieingenieurwesen und Systems-Engineering. Heute arbeitet er im Informatikbereich einer Grossbank. Hatipoglu ist verheiratet und Vater einer 25-jährigen Tochter und eines 17-jährigen Sohns. Er lebt in Oetwil, wo seine Familie das Bürgerrecht erworben hat. (zim)

Die islamische Gemeinde

In der Schweiz leben heute rund 350 000 Muslime. Das sind etwa 5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Kanton Zürich bekennen sich rund 66 520 Menschen zum Islam. Der grösste Teil der Muslime in der Schweiz stammt aus Ex-Jugoslawien (175 000) und aus der Türkei (63 000). Insgesamt setzt sich die muslimische Gemeinschaft aus Angehörigen aus rund 150 Staaten zusammen. Etwa 12 Prozent der Muslime (36 500) besitzen die schweizerische Staatsbürgerschaft. Zum grösseren Teil entstammen die Muslime noch der so genannten ersten Generation. Doch der Anteil der so genannten zweiten Generation nimmt kontinuierlich zu. Insgesamt existieren in der Schweiz über 150 islamische Organisationen. Taner Hatipoglu von VIOZ rechnet damit, dass ungefähr 30 Prozent praktizierende Muslime sind. Das heisst, dass sie zumindest zu Hause beten. Die regelmässigen Moscheebesucher werden auf rund 15 Prozent geschätzt. «Insgesamt weist die Tendenz in die Richtung, dass die Religiosität der Muslime in Zukunft weiter abnehmen wird», erklärt Hatipoglu. Im Vergleich dazu stellen die Christen drei Viertel der Schweizer Bevölkerung. Davon sind 42 Prozent Katholiken, 35 Prozent Protestanten und 2,2 Prozent haben andere christliche Bekenntnisse. (zim)

Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ)

Der Verein ist eine Dachorganisation der verschiedenen islamischen Organisationen im Kanton Zürich. Insgesamt sind ihm 17 Organisationen angegliedert. Er fungiert als Koordinationsstelle zwischen den verschiedenen Organisationen sowie als Kontaktstelle für Behörden. Informationen unter: www.vioz.ch. (zim)

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